Während die meisten Passagier*innen in ihren Kabinen verschwunden sind, teilen wir uns den Fußboden mit den Indigenen, die in den Dörfern Klemtu und Bella Bella zugestiegen sind. Es ist kuschelig warm bis stickig und wir freuen uns nach zwei Nächten auf der Fähre in Port Hardy, im Norden von Vancouver Island, an Land zu gehen. Wir sind nun endgültig in der Nebensaison angekommen. Am ersten Oktober schließen die ersten Zeltplätze und auf den Highways beginnt die Winterreifenpflicht für Autos und Schneekettenpflicht für LKWs. Mit dem Winter im Nacken radeln wir gen Süden.
Aber noch ist es spätsommerlich warm. Wir holen noch einmal die Sandalen raus und treten kräftig in die Pedalen. Vor uns liegen 500 Kilometer. Vancouver Island ist die größte und wahrscheinlich bekannteste Insel in der Inside Passage. Dementsprechend voll sind die Highways. Wir können nun nicht mehr mit Musik im Ohr fahren. Wenn der Seitenstreifen fehlt, hupen uns die Autos in den Straßengraben. Wenn ein 40-Tonner im Rückspiegel auftaucht, fliehe ich freiwillig von der Straße. Es wird immer schwieriger wilde Zeltplätze zu finden. Ab Campbell River wird es richtig urban. Eine Stadt jagt nun die nächste. Wir treffen zum ersten Mal seit unserer Abfahrt in Fairbanks wieder auf riesige Gewerbegebiete und Einkaufszentren. Ampeln und Umwege über Bürgersteige lassen uns spürbar langsamer werden.
Die tückischsten urbanen Radfahrerfallen sind jedoch die Drängelgitter auf den Radwegen. Die dahinter steckenden Ideen, den motorisierten Verkehr fernzuhalten und Radfahrer*innen an gefährlichen Kreuzungen abzubremsen, begrüßen wir natürlich. Aber manchmal frage ich mich, ob die Drängelgitterplaner*innen (in Amerika wie in Europa) jemals selbst ein Rad durch ihre Gitter manövriert haben. Mit dem Anhänger im Schlepptau wird das Rangieren mitunter zur Zentimeterarbeit. Dabei ist es durchaus möglich, passierbare Drängelgitter zu bauen. Es einfach nur eine Frage des Abstands und Winkels, in welchem die beiden Gitter zueinander stehen. Achja, wir vermissen Alaska, die breiten Highways, die Landschaft und die Freiheit überall zelten zu können.
Bei Nanaimo ist der Highway zu einer vierspurigen Autobahn gewachsen. Um ihn zu umfahren, schieben wir sogar einige Kilometer über stillgelegte Bahngleise. Immerhin gibt es nun ab und an Radwege. Allerdings ist die Insel sehr bergig und manchmal sind die Radwege so steil, dass der Anhänger bergab (auf Schotter) wegrutscht. Bergauf liegt die Schmerzgrenze für unsere Rücken bei 14 Prozent. Uns reizt die raue Westküste, aber die Berge und vor allem das schöne Wetter an der Ostküste halten uns davon ab, die Insel zu queren. Die Bergkette zwischen dem Pazifik und uns lässt die Wolken abregnen und wir freuen uns nach den nassen Wochen in der Inside Passage nun endlich mal wieder im Trockenen zu radeln.
Und – jetzt muss ich doch noch eine Lanze für die Insel brechen – abseits vom Highway finden wir durchaus sehr schöne Ecken. Wir hatten einfach nur sehr hohe Erwartungen, weil viele andere Reisende, die wir unterwegs getroffen haben, von Vancouver Island so geschwärmt haben. Aus Alaska kommend sind wir aber auch (landschaftlich) ein bisschen verwöhnt. Die Zeltplätze auf Vancouver Island sind zwar nicht wild, aber dafür sehr schön gelegen und des Öfteren werden wir auch zum Zelten oder Mittagessen in Vorgärten eingeladen. Wir passieren vermehrt kleine Farmstände am Wegesrand, wo lokales Obst und Gemüse aus kontrolliert biologischem Anbau verkauft wird. Gutes Essen wiederum haben wir in Alaska vermisst.
Wir machen Abstecher auf die ruhigeren Nachbarinseln Cormorant und Salt Spring Island. Cormorant Island ist mit vier Quadratkilometern die kleinste Insel, die wir auf unserer Reise durch die Inside Passage besuchen. Wir errichten unser Basislager direkt am Strand und machen es uns für ein paar Tage gemütlich.
In Alert Bay, dem einzigen Ort auf Cormorant Island, treffen wir auf Cliff und er lädt uns zum Abendbrot ein. Da Cliff gern Marmelade kocht, pflücken wir ein paar Brommbeeren für ihn.
Seine Frau Kelly sitzt im Rat der indigenen Gemeinde und erzählt uns die Geschichte der Insel. Cormorant Island ist zweigeteilt. Auf der einen Seite leben die ‘Namgis und auf der anderen Seite die Nicht-Indigenen. Die örtliche Residential School (ein Thema, welches uns schon auf Haida Gwaii begegnet ist) wurde gerade erst abgerissen.
Salt Spring Island gehört bereits zu den Southern Gulf Islands. Zuzeiten des Vietnamkrieges war die Insel ein Refugium für US-amerikanische Kriegsdienstverweigerer. Es ließen sich zunächst viele Künstler*innen nieder, bevor die Schönen und Reichen kamen. Letztere haben ihre Häuser entlang der Küste aneinander gereiht, sodass es heute kaum noch öffentliche Strandzugänge gibt. Um die Wale zu beobachten, ist Marilyne allerdings immer auf der Suche nach Zeltplätzen am Wasser. Im Ruckle Park werden wir fündig.
Chère petite famille,
Un peu de repos sur le bateau…vous devez apprécier !!!
Belle cueillette de mûres, et énormes potirons !!! vous en voyez de belles choses et belles rencontres !!! tous en forme !!! BRAVO et plein de bisous
Huguette & Gaby