Ecuador begrüßt uns nicht unbedingt von seiner schönsten Seite. Der Nordosten des Landes ist Erdölfördergebiet und wie schon in der kolumbianischen Amazonasregion bringt auch hier der Männerüberschuss viele Drogen und Prostitution mit sich. Der Regenwald ist großflächig abgeholzt worden und ohne die schattenspendenden Bäume ist es erdrückend heiß im Amazonastiefland. Eigentlich hält uns hier nichts länger auf, aber Marilyne ist noch von den kolumbianischen Hitzestrapazen erschöpft und muss sich dringend ein bisschen ausruhen.
Maria und Walter laden uns ein, ein paar Tage bei ihnen in Sacha zu verweilen, was wir sehr dankbar annehmen. Walter nimmt sich viel Zeit, um uns die Gegend zu zeigen.
Hinter Loreto wird die Landschaft abwechslungsreicher. Wir überqueren unsere zweite Andenkordillere und radeln dann entlang der Bergflanken in Richtung Peru. Die Vegetation wird wieder üppiger und wir finden viele schöne Zeltplätze an den unzähligen Flüssen und Wasserfällen in der Region.
Der Preisverfall des Erdöls in den letzten Jahren hat viele Einheimische gezwungen, sich nach anderen Einnahmequellen umzuschauen. Nicht wenige haben sich eine neue Existenz im Tourismussektor aufgebaut. Überall in der Region sprießen kleine Ökotourismusprojekte aus dem fruchtbaren Regenwaldboden.
In der ecuadorianischen Amazonasregion gibt es viele kommunale, gemeinschaftlich organisierte Tourismusprojekte. Auch die Dorfgemeinschaft von Usa Yaku hat sich zusammengeschlossen, um einen Zeltplatz samt Badestelle zu betreiben. Die Dorfbewohner*innen wechseln sich ab, um den Tourist*innen Essen anzubieten oder ihnen die nahegelegenen Kalksteinhöhlen zu zeigen.
Außer den Provinzhauptstädten Tena, Puyo und Macas kreuzen wir nur noch kleine Dörfer. Selbst die Hauptstädte sind mit ihren zwanzig- bis dreißigtausend Einwohner*innen nicht sonderlich groß, sodass sich der Verkehr in Grenzen hält.
Die ecuadorianische Infrastruktur ist im Vergleich zur kolumbianischen ein Segen. Nachdem wir die schmale Fahrbahn mit ihren Erdöl-LKWs hinter uns gelassen haben und wieder zurück auf der E45 sind, weitet sich die Straße vor uns. Selbst die Ortsdurchfahrten verfügen über einen Seitenstreifen oder sind sogar zweispurig in jede Richtung ausgebaut. Die ecuadorianischen Straßen und die Manieren der hiesigen Autofahrer*innen sind weitaus gepflegter als ihre kolumbianischen Pendants.
Die Berge im Amazonasgebiet sind nie sonderlich hoch, aber es geht kontinuierlich und durchaus steil hoch und runter – eine Einstimmung auf die peruanischen Anden, wo wir noch höher hinaus wollen. Trotz aller schweißtreibenden Anstrengungen gefällt uns dieser grüne Teil Ecuadors sehr. Wir erfreuen uns an dem Meer an Bäumen sowie seinen menschlichen und tierischen Bewohner*innen. Doch nachdem wir bereits durch das halbe Land geradelt sind, werden wir in Macas plötzlich aufgehalten. Das ecuadorianische Kapitel unseres Radabenteuers wird in der nächsten Geschichte eine unerwartete Wendung nehmen.