Los Andes peruanos – ¡Bienvenid@s a la tierra del l@s chachapoyas!

Chachapoyas – so nannten die Inka das vor ihnen hier ansässige Volk, was so viel wie „Wolkenmenschen“ bedeutet. Auch wir fühlen uns das ein oder andere Mal wie Wolkenmenschen, wenn wir völlig abgekämpft an einem der unzähligen Pässe oben ankommen und auf der anderen Seite ins Tal hinabblicken.

Marilyne radelt zu Hochtouren auf.

Wir haben den Amazonas nun endgültig links liegengelassen und sind in die Anden hoch geklettert. An die trockene Bergluft und die Höhe müssen wir uns erst noch gewöhnen. Trotzdem fühlen sich die ersten Kilometer angenehm leicht an, weil wir ohne Kinder und Gepäck unterwegs sind. Die Groß-Eltern fahren sie im Begleitfahrzeug hinterher. Für Marilyne ist das eine gute Möglichkeit, um sich nach dem Hundebiss in Ecuador und der darauffolgenden sechswöchigen Radpause langsam wieder an die Pedalen heranzutasten.

Die Begleitmannschaft
Die ersten Tage folgen wir dem gemütlichen Lauf des Río Utcubamba.

Nach dem Hundebiss sind wir mit dem Bus von Macas im ecuadorianischen Regenwald bis nach Chachapoyas in den peruanischen Anden gefahren, um dort rechtzeitig unseren Besuch in Empfang zu nehmen. Nachdem wir knapp eintausend Kilometer durchgeschüttelt worden sind, mussten wir uns zunächst ein paar Tage in der Kleinstadt akklimatisieren. Die Groß-Eltern brachten aus Deutschland langersehnte Ersatzteile für unsere Räder und den Anhänger mit. Ich vereinbarte einen Termin mit dem einzigen Radmechaniker in der Stadt, zudem er allerdings so betrunken auftauchte, dass wir die Arbeiten auf den nächsten Tag verschieben mussten. Am folgenden Tag erschien er mit einem schlechten Gewissen, aber arbeitsfähig. Den ganzen Tag durften wir in seiner Werkstatt schrauben. Wir tauschten Zahnkränze, Ketten und ein kleines Kettenblatt.

Die Kinder spielten derweil mit den neuen Anhängerreifen.
Das Spiel genießt mittlerweile Kultstatus in der Großeltern- & Enkelszene. 😉 Entwickelt wurde es vor zwei Jahren auf einem Zeltplatz in Dawson City (Yukon).

Da wir kein Werkzeug auftreiben konnten, um den Freilauf in meiner Hinterradnabe zu öffnen und die gebrochenen Sperrklinken zu ersetzen, bot der Radmechaniker kurzerhand an, die komplette Nabe neu einzuspeichen. Auch in Ecuador war es bereits sehr kompliziert gewesen, das passende Werkzeug zu finden. Statt in einem Radladen wurde ich bei einem passionierten Radfahrer aus der Nachbarschaft fündig. Damit konnte ich den Freilauf zerlegen und mit den verbliebenen zwei Sperrklinken noch durch Ecuador radeln.

Mittagspause auf dem Markt von Chachapoyas mit Esther (Mikas und Marlas ehemalige Kindergartenerzieherin, die uns ebenfalls besuchen kam)
Wiedersehen macht Freude
Marktstand in Chachapoyas

Marilyne bekam einen neuen Ständer, da sie ihren ungenutzt spazieren fuhr, seitdem er in Alaska abgebrochen war. Der neue Zweibeiständer wird hoffentlich länger als sein einbeiniger Kollege halten. Außerdem mussten wir ihre hydraulischen Felgenbremsen ersetzen, die seit Kolumbien am Geberkolben leckten. Da wir bislang keinen Ersatz auftreiben konnten, haben wir ihre Bremsanlage nun auf klassische V-Brakes umgerüstet. Unserem Anhänger spendierten wir eine neue Federung, nachdem wir die alte in Kolumbien schweißen lassen mussten. Darüber hinaus gab es ein paar neue Reifen und ein neues Verdeck, da das alte unter der tropischen Sonne sehr gelitten hat.

Bremsanlagentest

Die Groß-Eltern brachten nicht nur Fahrradersatzteile, sondern auch unsere warme Winterausrüstung für die bevorstehende Etappe durch die Anden mit. Dicke Schlafsack-Inletts und eine großer Evazote-Teppich werden ab sofort für zusätzliche Isolierung im Zelt sorgen. Im Gegenzug schickten wir unsere Tropenausrüstung zurück nach Deutschland. Unser Moskitozelt werden wir so schnell nicht mehr brauchen.

Gemeinsam besuchten wir den Gocta-Wasserfall, der mit seinen 771 Metern Fallhöhe höher als der berühmte Yosemite-Wasserfall ist, den wir in Kalifornien erklommen haben.
Dann hieß es leider auch schon wieder Abschied zu nehmen: Ein letztes Erinnerungsfoto am Busbahnhof von Chachapoyas.

Nachdem wir Esther verabschiedet haben, radeln wir unsere erste Tagesetappe mit dem großelterlichen Begleitfahrzeug im Schlepptau entlang des Río Utcubamba zu den Ruinen von Kuélap. Die Chachapoya errichteten hier auf einem Bergrücken in über dreitausend Meter Höhe ihre imposanteste Siedlung. Die Arbeiten an der Festungsanlage begannen im fünften Jahrhundert und damit eintausend Jahre bevor die berühmte Inkastadt Machu Picchu (im Süden des heutigen Perus) erbaut wurde. Die Inka unterwarfen die Chachapoya kurz bevor die spanischen Kolonialherren hier ankamen. Doch die Kolonisation sollte der radikalere Einschnitt in das Leben der hiesigen Bevölkerung werden.

Mit der vor zwei Jahren eröffneten Seilbahn geht es aus dem Tal des Río Utcubamba hoch nach Kuélap.
Doch wie vertrauenswürdig ist die Technik?
Die letzten Höhenmeter legen die Kinder auf dem Pferd zurück.

Die Inka verbreiteten ihre Sprache auf dem ganzen Kontinent, weswegen Quechua auch heute noch die meist gesprochene indigene Sprache in Südamerika ist. Viele Wörter aus dem Quechua haben ins peruanische Spanisch Einzug gehalten. Wir lernen, dass hier auch im Spanischen der Mais choclo und die Avocados paltas genannt werden. Die Kolonialsprachen Spanisch und Portugiesisch haben jedoch Quechua mit deutlichem Abstand auf den dritten Platz verwiesen und viele andere indigene Sprachen verdrängt. Das Chachapoyas-Quechua ist so gut wie ausgestorben – ein trauriges Thema, welches uns auf dieser Reise bereits bei den Haida auf Haida Gwaii in Kanada und den Lenca in Honduras begegnet ist. Mit ihrer Sprache verlieren die indigenen Völker einen elementaren Bestandteil ihrer Kultur.

Renata Flores Rivera, eine junge peruanische Sängerin, setzt sich für die Revitalisierung ihrer Kultur ein. Sie ist für ihr Cover von Michael Jackson auf Quechua bekannt geworden.
Aussicht von Kuélap auf die umliegenden Berge
Die Festung ist von zwanzig Meter hohen Mauern umgeben.
Verziertes Mauerwerk
Die Archäolog*innen sind sich nicht einig, ob es sich beim „Tintenfass“ um ein Observatorium oder ein Mausoleum handelte.

Auch heute noch leben Quechua in der Region, allerdings begegnen wir auf unserer Route überwiegend spanischsprechenden Landwirt*innen. Unsere ersten Worte auf Quechua werden wir erst viel weiter südlich in der Cordillera Blanca lernen. Die meisten indigenen Völker im Norden Perus leben hinter den Kordilleren im Amazonasgebiet.

Die Chachapoya bestatteten ihre Toten in Sarkophagen, wie hier in einer Nachbildung im Museum von Leymebamba zu sehen.
Diese Mumien wurden am Ufer des Kondorsees vor Grabplünder*innen gerettet. Um sie zu konservieren, wurde das Museum in Leymebamba gebaut. Die Ausstellung ist klein, aber sehr ansprechend gestaltet.
Marla sucht zusammen mit ihrem Großvater Kondore, deren Flügelspannweite bis zu drei Metern betragen kann. Bereits in Kalifornien haben wir nach ihnen Ausschau gehalten, waren jedoch leider erfolglos. Diesmal erspähen wir sie in der Ferne. Das Begleitfahrzeug muss dabei als Observatorium herhalten. 😉

In Leymebamba verlassen wir das Tal des Río Utcubamba. Vor uns liegt der erste Dreitausender-Pass auf unserer Reise. Zunächst müssen wir dreißig Kilometer hochradeln, bevor es auf der anderen Seite sechzig Kilometer hinunter zum Río Marañón geht. Da wir im Konvoi mit den Groß-Eltern auf feste Unterkünfte angewiesen sind, müssen wir den Pass an einem Tag bezwingen. Entsprechend früh machen wir uns auf den Weg.

Mit dem Nebel steigen wir aus Leymebamba auf.
Stau am Ortsausgang
Auf 3.600 Metern erreichen wir den Pass Barro Negro. Hoch oben in der Cordillera Calla Calla erwarten uns Regen und fröstelige sieben Grad. Seitdem wir vor über einem Jahr die Sierra Madre Occidental in Mexiko überquerten, hatten wir keine solch kalten Temperaturen mehr. Wir ziehen alles an, was wir dabei haben …
… und sausen auf der anderen Seite in die Hitze hinab.
So nah und doch so fern: Luftlinie trennen uns nur noch wenige Kilometer von unserem Tagesziel Balsas, ein kleines Dorf am Río Marañón. Auf der Straße mit ihren unzähligen Serpentinen liegen jedoch noch vierzig Kilometer vor uns.
Von 3.600 Metern rollen wir auf 800 Meter hinunter. Wahnsinn: 60 Kilometer Abfahrt – ohne ein einziges (!) Mal zu treten – und diese wird nicht unsere längste Talfahrt in Peru bleiben. Die Dimensionen in den peruanischen Anden sind einfach unglaublich und werden unsere Radreise vor völlig ungekannte Herausforderungen stellen.
Willkommen in Peru: Am nächsten Morgen geht es von 800 Metern wieder auf 3.100 Meter hoch.
Gestern war noch alles grün. Heute radeln wir an Kakteen vorbei.
Unser heutiges Tagesprogramm: 45 Kilometer Bergfahrt und anschließend 12 Kilometer Talfahrt nach Celendín.
Ohne Gepäck kommen wir die vier- bis fünfprozentige Steigung mit acht Stundenkilometern halbwegs zügig hinauf. Mit Gepäck hätten wir die heutige Tagesetappe wahrscheinlich zweimal zeltend unterbrechen müssen.
Serpentinen …
… Serpentinen …
… und noch mehr Serpentinen.
Fast geschafft! Wir blicken zurück auf die Cordillera Calla Calla, die wir gestern hinabfuhren. Unten im Tal ist auch der Río Marañón noch zu erkennen, an dem wir heute morgen gestartet sind. Noch eine letzte Serpentine und wir stehen nach fünfeinhalb Stunden Fahrzeit auf dem Pass Gelic auf 3.100 Metern – erschöpft, aber glücklich und auch ein bisschen stolz. Auf der anderen Seite sehen wir schon unser heutiges Tagesziel, die Kleinstadt Celendín. Wir genießen ein Weilchen die Aussicht, bevor wir uns wieder warm anziehen und im letzten Tageslicht abfahren.
Am nächsten Tag bringt uns eine weitere Bergetappe über den 3.750 Meter hohen Pass Comullca nach Polloc, wo wir einen wohlverdienten Ruhetag einlegen. In den letzten drei Tagen haben wir auf unser „Tour de Pérou“ drei Dreitausender-Pässe und 8.000 Höhenmeter überwunden. Unsere Kollegen auf der zeitgleich in Frankreich stattfindenden Partnerveranstaltung haben gerade ihre anstrengendste Alpenetappe mit drei Zweitausender-Pässen und 5.200 Höhenmetern hinter sich gebracht. Frauen dürfen in Frankreich auch im Jahr 2019 noch nicht mitfahren.
Auf einer Schotterpiste umfahren wir Cajamarca, die einzige Großstadt in der Region mit bald 300.000 Einwohner*innen.

Nach sechs Tagesetappen endet die Tour de Pérou, weil das Urlaubskontingent des Begleitfahrzeuges aufgebraucht ist. Auf der letzten Abfahrt stellen wir einen neuen Geschwindigkeitsrekord von sechzig Stundenkilometern auf, bevor uns die nächste Serpentine ausbremst. Vom Fahrtwind ausgekühlt erreichen wir Aguas Calientes. Ein heißes Bad kommt uns jetzt gerade recht. Wir verabschieden die Groß-Eltern und müssen nun Kind & Kegel wieder selbst die Berge hochziehen.

¡Gracias, abuel@s! 🙂

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