El desierto de Atacama – Entre los extremos

Nach dem Gerüttel auf den bolivianischen Pisten sind wir froh, in Chile endlich wieder Asphalt unter den Rädern zu spüren. In der Höhe ist das Radeln auch so anstrengend genug. Die faszinierende Landschaft lädt jedoch zu ausgiebigen Verschnaufpausen ein.

Das Problem dabei ist nur, dass unsere Kinder das Konzept Verschnaufpause anders interpretieren. Während wir unsere Räder den Berg hochhieven, ruhen sie sich im Anhänger aus …
… um in unserer Radelpause vor Energie zu strotzen. 😉
Im Gegensatz zu Bolivien schlängelt sich die Straße in Chile am Ufer der Salzseen entlang und führt nicht über diese hinüber.
So können wir das Naturwunder bestaunen, ohne jedes Mal unsere Räder putzen zu müssen. 😉
Abseits der Straße wirkt die Natur auf den ersten Blick unberührt. Doch auch vor dieser abgeschiedenen Region hat der Bergbau keinen Halt gemacht. Wie schon auf der Ruta de las Vicuñas wird hier u.a. das Salz Ulexit abgebaut.
Den Wegesrand säumen Flamingos …
… und Vicuñas.
Unser Zeltplatz am Salar de Ascotán

Hinter dem Salar de Ascotán verlassen wir vorerst die Welt der Salzseen. Wir klettern noch einen letzten Pass zum Bahnhof von Ascotán hinauf, der nicht viel mehr als eine Polizeistation ist. Hier werden die Güterzüge und der Straßenverkehr zwischen Bolivien und Chile kontrolliert. Uns gewährt der diensthabende Polizist Unterschlupf in seinem Büro, damit wir für ein paar Minuten aus dem Wind kommen. Außerdem dürfen wir unsere Wasserflaschen bei ihm auffüllen.

Bahnhof von Ascotán

Zwischen zwei Wasserpunkten liegen hier oben oft bis zu fünfzig Kilometer, sodass wir den nächsten nicht immer am Abend erreichen. Doch einmal mehr bestätigt sich hier eine Erfahrung, die wir auf dieser Reise machen durften: Je einsamer die Gegend, desto solidarischer die Menschen. Wenn wir mit einer leeren Flasche am Straßenrand auf uns aufmerksam machen, hält wirklich jedes (der sehr wenigen) Fahrzeuge an und hilft uns gern aus.

Trotzdem versuchen wir, wenn immer möglich, vorzusorgen, da wir als Familie einen vergleichsweise hohen Wasserbedarf haben.
Schwieriger ist es, abends immer einen windgeschützten Zeltplatz zu finden. Heute dürfen wir uns über eine kleine Steinmauer freuen.
Seitdem wir auf dem Altiplano unterwegs sind, beschäftigt uns tagein tagaus die Suche nach Windschutz und Wasser.

Auf der anderen Seite des Passes sausen wir in die Atacama-Wüste hinunter und damit das erste Mal nach fast zwei Monaten unter die Dreieinhalbtausend-Höhenmeter-Marke. Auf der Abfahrt radeln wir uns in einen regelrechten Geschwindigkeitsrausch. Nachdem wir in vier Stunden achtzig Kilometer geschafft haben – was so gut wie nie vorkommt – lassen wir uns zu einer verrückten Idee verleiten. Bis zur nächsten Stadt fehlen nur noch dreißig Kilometer und nach all den Entbehrungen auf dem Altiplano ist die Verlockung der Zivilisation groß.

Willkommen in der Atacama-Wüste

Doch die Abfahrt flacht ab, der Wind wendet sich gegen uns und das Unterfangen wird kräftezehrender als gedacht. Wir brauchen weitere drei Stunden, um einen neuen Tagesstreckenrekord aufzustellen. Es ist das zweite Mal auf dieser Reise, dass wir mehr als hundert Kilometer an einem Tag schaffen. Kurz vor Calama rufen wir die Happy Family an, um dieses Erlebnis mit einer radreisenden Familie zu teilen. Wir sind völlig erschöpft, aber glücklich. Sie verstehen uns. Familienradreisen definieren sich nicht über lange Tagesetappen. Wenn dann doch einmal im Jahr ein Wunder passiert (so wie bei der Ankunft der Happy Familiy in Mompós) ist die Freude darüber, was gemeinsam als Familie möglich ist, umso größer.

Am Ende des Tages stehen hundertzehn Kilometer auf dem Zähler.
Während uns eher die kulinarische Abwechslung in die Stadt lockt, freuen sich die Kinder über die kulturellen Angebote. Sie gehen das erste Mal in ihrem Leben ins Kino – zum zweiten Teil der Eiskönigin. Auch in Lateinamerika kann sich kein Kind vor diesem Disney-Kassenschlager retten.

Vielmehr hat Calama aber auch nicht zu bieten, sodass wir uns nach ein paar Tagen wieder hinaus in die Wüste wagen. Die Atacama-Wüste gilt als der trockenste Ort der Erde außerhalb der (gefriergetrockneten) Polarregionen. Sie ist fünfzigmal trockener als das Death Valley in den USA, was uns Weihnachten vor zwei Jahren schon sehr trocken vorkam.

Aus manchen Unfallkreuzen …
.. entwickeln sich kleine Wegkapellen. Mit etwas Glück finden wir eine, die uns in der Mittagspause ihren Schatten spendet.
Manchmal muss auch einfach nur ein Schild genügen.
Ein Abstecher führt uns ins Valle de la Luna.
Ein Blick von oben auf die Mondlandschaft
Wenn Tourist*innen sagen, sie fahren in die Atacama-Wüste, meinen sie oft die kleine Oasenstadt San Pedro de Atacama unweit des Mondtals. Aufgrund der Proteste in Chile und Bolivien ist es jedoch selbst an den touristischen Hauptanziehungspunkten angenehm leer.
Die letzten vertreibt die Mittagshitze. 😉

Auch in San Pedro de Atacama hält uns nicht viel. Wir stocken unsere Vorräte für unsere letzte Altiplano-Etappe auf. Die Auswahl in den chilenischen Supermärkten kommt uns nach unserem Abstecher nach Bolivien riesig vor. Wir finden alles, was das Radlerherz begehrt – sogar Schokoladen-Knuspermüsli. 😉

Ab in die Wüste!
Wer gießt eigentlich mitten in der Wüste einzelne Bäume?

Noch ein letztes Mal wollen wir auf unserem Weg nach Argentinien auf die Hochebene hinaufradeln. Den Paso de Jama, die Hauptverbindung von San Pedro de Atacama ins Nachbarland, lassen wir links liegen. Wir entscheiden uns für den wesentlich weniger frequentierten Paso de Sico weiter südlich und sollen nicht enttäuscht werden.

Wir überqueren den südlichen Wendekreis und verlassen damit offiziell die Tropen. 🙂
Anderthalb Jahre ist es her, dass wir in Mexiko über sein nördliches Pendant gerollt sind.

Hinter dem Wendekreis beginnt der Anstieg. Die Höhe macht sich bemerkbar. Doch mittlerweile wir sind gut akklimatisiert. Langsam, aber sicher arbeiten wir uns nach oben.

Noch schnell ein letztes Telefonat, bevor wir die nächsten Tage keinen Empfang mehr haben werden. 😉
Mit einem Pickup schicken wir fünfzehn Liter Wasser nach oben.
Wir erreichen den Rand der Puna de Atacama, wie die Hochebene hier genannt wird, die sich Chile mit Argentinien teilt.
Sébastien holt uns wieder ein. Den französischen Reiseradler haben wir schon zweimal unterwegs getroffen. Diesmal schließt er sich uns für zwei Tage an.
Es passiert nicht so oft, dass sich andere Radler*innen auf den langsamen Rhythmus einer radreisenden Familie einlassen. 😉
Am Abend finden wir – just in dem Moment, als unsere Kräfte zu schwinden drohen – den perfekten Zeltplatz. Das Foto kann diesen nur unzureichend abbilden. Der kleine Talkessel bietet einen ebenen und windgeschützten Platz für unsere beiden Zelte.
In der Nacht baut sich ein fantastisches Himmelszelt über uns auf. Fernab der nächsten Ortschaft können wir durch die trockene Luft ungestört den Sternenhimmel beobachten. Es sind diese Momente des Glücks, die uns alle Anstrengungen einer solchen Radreise vergessen lassen.
Auch die nächsten Tage begleiten uns atemberaubende Landschaften auf dem Weg zur Grenze.
Die Vicuñas zeigen uns stolz ihren Lebensraum.
Die Gräser trotzen dem rauen Klima.
Unser Zeltplatz am Salar de Aguas Calientes
Auf dem Weg liegen mehrere Viertausender-Pässe.
Doch diesmal ist der Wind mit uns. Wir überqueren die Anden von West nach Ost und der Luftstrom bläst uns vom Pazifik kommend den Berg hinauf – zumindest Marilyne. 😉
Zwischen den Pässen berauschen wir uns an kilometerlangen Abfahrten.
Bislang haben wir uns an der zulässigen Höchstgeschwindigkeit des Anhängers mit 25 km/h pro Kind orientiert. Nun brauchen wir wohl bald ein drittes. 😉
Doch jedem Rausch sind Grenzen gesetzt: Theoretische …
… und ganz praktische. An der chilenisch-argentinischen Grenze endet der Asphalt.
Paso de Sico auf 4.092 Metern

Am Grenzübergang Paso de Sico ist die Freude noch groß. Vor uns liegt Argentinien, unser sechzehntes und voraussichtlich letztes Land auf dem südamerikanischen Kontinent.

“You’re running out of countries! What’s next?”

Darren (Alaska, im September 2017)


Die Frage steht im Raum und erreicht uns immer öfter von unseren Freund*innen. Lange können wir ihr nicht mehr ausweichen. Doch hier und jetzt können wir uns nicht mit ihr beschäftigen. Abrupt platzt der Traum auf asphaltierten Straßen über die Anden zu radeln. Das Rütteln der argentinischen Schotterpiste holt uns zurück in die Realität.

¡Bienvenid@s a Argentina!
Bis zum Abend wollen wir noch den Grenzkontrollposten erreichen, weil wir gehört haben, dass die argentinischen Beamt*innen Radreisenden Unterschlupf gewähren.
Die Schatten werden immer länger, aber wir schaffen es noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit.

Der argentinische Grenzbeamte heißt uns herzlich willkommen und zeigt uns sein Refugium. Mitten im Nirgendwo, hundertdreißig Kilometer hinter dem letzten Dorf, bietet die kleine Häuseransammlung unerwarteten Komfort. Statt im Sand zu zelten, dürfen wir heute in einem Schlafsaal nächtigen und die Küche benutzen.

Ein architektonisches Schmankerl: Das Wellblech der Dächer wurde dem Profil der Straße nachempfunden. 😉
Vor uns liegen weitere hundertzwanzig Kilometer bis nach San Antonio de los Cobres, wo sich dieses Jahr der Weihnachtsmann angekündigt hat.
Das bedeutet vier Tage harte Arbeit.
Nachdem wir am ersten Tag lediglich drei Fahrzeugen begegnet sind, bauen wir unser Zelt einfach direkt am Straßenrand auf.
Am Abend stattet uns ein Fuchs einen Besuch ab. Seine Fellfarbe tarnt ihn perfekt.
Mit einer riesigen Solaranlage kündigt sich die Zivilisation wieder an, woraufhin der LKW- und Pickup-Verkehr spürbar zunimmt.
Dafür finden wir ein Restaurant am Wegesrand, welches die hungrigen Arbeiter*innen und Radreisenden versorgt und den staubigen Kindern eine Badewanne anbietet.
Notgedrungen halten wir uns an die Geschwindigkeitsbegrenzung. 😉
Die Vicuñas haben immer Vorfahrt.
Mariu & Aldo, ein argentinisches Pärchen auf Urlaubsreise, halten an und erkundigen sich nach unserem Wasserstand.
Die Kinder sind immer für einen kurzen Plausch zu haben.
Am letzten Abend erreichen wir eine erstaunlich grüne Hochebene auf 4.350 Metern.
Den Frost in den Morgenstunden nehmen wir gern in Kauf, für den Luxus neben einem kleinen Wasserlauf zu zelten.
Die Spielwiese lässt die Kinderherzen höherschlagen.

Am letzten Pass vor San Antonio de los Cobres fordert die Piste ihren Tribut. Die Anhängerfederung bricht zum zweiten Mal auf dieser Reise. Unser Material wird langsam müde.

Wir fixieren die Blattfeder notdürftig, nur um nach wenigen Kilometern einsehen zu müssen, dass wir es so nicht mehr über den Berg schaffen.
Was für ein glücklicher Zufall: Noch bevor wir den Daumen rausstrecken können, hält ein Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr aus Deutschland. Johannes hilft uns aus der Patsche. 🙂
Frau und Kinder werden zuerst gerettet.
Den letzten Pass radel ich alleine. Ohne Gepäck fühle ich mich fast so frei wie ein Vicuña. 😉
Die Abfahrt nach San Antonio de los Cobres
Auf der holprigen Piste bin ich bergab auch nicht viel schneller als bergauf.

In San Antonio de los Cobres endet unsere Altiplano-Etappe. Die staubige Bergarbeitersiedlung auf fast viertausend Metern hat nicht viel zu bieten und doch ist sie von großer Symbolkraft für uns. Sie markiert einen Meilenstein auf unserem Weg durch Amerika. Das letzte halbe Jahr in den peruanischen Anden und auf dem Altiplano war die größte physische Herausforderung unserer Reise. Äußerst dankbar blicken wir auf die unglaublichen Erlebnisse zurück. Doch nach all den Strapazen sind wir froh, die extreme Höhe und Trockenheit endlich hinter uns zu lassen. Der in alle Ritzen kriechende Staub zermürbt uns und unser Material. Unsere Nasen sind das ständige Bluten leid und unsere Zeltreißverschlüsse wollen ihr langsames Abschleifen nicht länger hinnehmen.

Doch nur wer die Entbehrung kennt, weiß die Verlockungen der Zivilisation zu schätzen. 😉

Wir lassen die gebrochene Blattfeder schweißen und eine weitere als Ersatz bauen. Der Schlosser signiert sie von Hand und wünscht uns viel Glück. Der Weihnachtsmann bringt die restlichen, langersehnten Ersatzteile für unsere Räder aus Deutschland mit.

Das feuchtfröhliche Weihnachtsfest lässt uns die Trockenheit der Hochwüste vergessen und heilt alle kulinarischen Wunden.
Ab jetzt kann es nur noch bergab gehen! 😉

2 Antworten auf „El desierto de Atacama – Entre los extremos“

  1. Queridos amigos del desierto Argentino!!! como contagian la capacidad de disfrute. La valentia de que estar dentro de la naturaleza, y en familia, valen tener la boca llena de tierra!!
    Me alegro haberlos cruzado .
    Cuando Corona finalmente ya no tenga nada que hacer los espera el ultimo pedacito, al sur del sur. Quiza uno de los lugares mas hermosos del mundo. Tengan paciencia y sostengan el sueño.
    Abrazo enorme
    Mariu

    1. Ojalá que la situación se mejore pronto y que pudiéremos regresar algún día a su lindo país. Estamos list@s para llenar nuestras bocas con tierra de nuevo. 😉

      Fue un gusto de conocerles. Un abrazo! 🙂

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