Nach dem Gerüttel auf den bolivianischen Pisten sind wir froh, in Chile endlich wieder Asphalt unter den Rädern zu spüren. In der Höhe ist das Radeln auch so anstrengend genug. Die faszinierende Landschaft lädt jedoch zu ausgiebigen Verschnaufpausen ein.
Hinter dem Salar de Ascotán verlassen wir vorerst die Welt der Salzseen. Wir klettern noch einen letzten Pass zum Bahnhof von Ascotán hinauf, der nicht viel mehr als eine Polizeistation ist. Hier werden die Güterzüge und der Straßenverkehr zwischen Bolivien und Chile kontrolliert. Uns gewährt der diensthabende Polizist Unterschlupf in seinem Büro, damit wir für ein paar Minuten aus dem Wind kommen. Außerdem dürfen wir unsere Wasserflaschen bei ihm auffüllen.
Zwischen zwei Wasserpunkten liegen hier oben oft bis zu fünfzig Kilometer, sodass wir den nächsten nicht immer am Abend erreichen. Doch einmal mehr bestätigt sich hier eine Erfahrung, die wir auf dieser Reise machen durften: Je einsamer die Gegend, desto solidarischer die Menschen. Wenn wir mit einer leeren Flasche am Straßenrand auf uns aufmerksam machen, hält wirklich jedes (der sehr wenigen) Fahrzeuge an und hilft uns gern aus.
Auf der anderen Seite des Passes sausen wir in die Atacama-Wüste hinunter und damit das erste Mal nach fast zwei Monaten unter die Dreieinhalbtausend-Höhenmeter-Marke. Auf der Abfahrt radeln wir uns in einen regelrechten Geschwindigkeitsrausch. Nachdem wir in vier Stunden achtzig Kilometer geschafft haben – was so gut wie nie vorkommt – lassen wir uns zu einer verrückten Idee verleiten. Bis zur nächsten Stadt fehlen nur noch dreißig Kilometer und nach all den Entbehrungen auf dem Altiplano ist die Verlockung der Zivilisation groß.
Doch die Abfahrt flacht ab, der Wind wendet sich gegen uns und das Unterfangen wird kräftezehrender als gedacht. Wir brauchen weitere drei Stunden, um einen neuen Tagesstreckenrekord aufzustellen. Es ist das zweite Mal auf dieser Reise, dass wir mehr als hundert Kilometer an einem Tag schaffen. Kurz vor Calama rufen wir die Happy Family an, um dieses Erlebnis mit einer radreisenden Familie zu teilen. Wir sind völlig erschöpft, aber glücklich. Sie verstehen uns. Familienradreisen definieren sich nicht über lange Tagesetappen. Wenn dann doch einmal im Jahr ein Wunder passiert (so wie bei der Ankunft der Happy Familiy in Mompós) ist die Freude darüber, was gemeinsam als Familie möglich ist, umso größer.
Vielmehr hat Calama aber auch nicht zu bieten, sodass wir uns nach ein paar Tagen wieder hinaus in die Wüste wagen. Die Atacama-Wüste gilt als der trockenste Ort der Erde außerhalb der (gefriergetrockneten) Polarregionen. Sie ist fünfzigmal trockener als das Death Valley in den USA, was uns Weihnachten vor zwei Jahren schon sehr trocken vorkam.
Auch in San Pedro de Atacama hält uns nicht viel. Wir stocken unsere Vorräte für unsere letzte Altiplano-Etappe auf. Die Auswahl in den chilenischen Supermärkten kommt uns nach unserem Abstecher nach Bolivien riesig vor. Wir finden alles, was das Radlerherz begehrt – sogar Schokoladen-Knuspermüsli. 😉
Noch ein letztes Mal wollen wir auf unserem Weg nach Argentinien auf die Hochebene hinaufradeln. Den Paso de Jama, die Hauptverbindung von San Pedro de Atacama ins Nachbarland, lassen wir links liegen. Wir entscheiden uns für den wesentlich weniger frequentierten Paso de Sico weiter südlich und sollen nicht enttäuscht werden.
Hinter dem Wendekreis beginnt der Anstieg. Die Höhe macht sich bemerkbar. Doch mittlerweile wir sind gut akklimatisiert. Langsam, aber sicher arbeiten wir uns nach oben.
Am Grenzübergang Paso de Sico ist die Freude noch groß. Vor uns liegt Argentinien, unser sechzehntes und voraussichtlich letztes Land auf dem südamerikanischen Kontinent.
Die Frage steht im Raum und erreicht uns immer öfter von unseren Freund*innen. Lange können wir ihr nicht mehr ausweichen. Doch hier und jetzt können wir uns nicht mit ihr beschäftigen. Abrupt platzt der Traum auf asphaltierten Straßen über die Anden zu radeln. Das Rütteln der argentinischen Schotterpiste holt uns zurück in die Realität.
Der argentinische Grenzbeamte heißt uns herzlich willkommen und zeigt uns sein Refugium. Mitten im Nirgendwo, hundertdreißig Kilometer hinter dem letzten Dorf, bietet die kleine Häuseransammlung unerwarteten Komfort. Statt im Sand zu zelten, dürfen wir heute in einem Schlafsaal nächtigen und die Küche benutzen.
Am letzten Pass vor San Antonio de los Cobres fordert die Piste ihren Tribut. Die Anhängerfederung bricht zum zweiten Mal auf dieser Reise. Unser Material wird langsam müde.
In San Antonio de los Cobres endet unsere Altiplano-Etappe. Die staubige Bergarbeitersiedlung auf fast viertausend Metern hat nicht viel zu bieten und doch ist sie von großer Symbolkraft für uns. Sie markiert einen Meilenstein auf unserem Weg durch Amerika. Das letzte halbe Jahr in den peruanischen Anden und auf dem Altiplano war die größte physische Herausforderung unserer Reise. Äußerst dankbar blicken wir auf die unglaublichen Erlebnisse zurück. Doch nach all den Strapazen sind wir froh, die extreme Höhe und Trockenheit endlich hinter uns zu lassen. Der in alle Ritzen kriechende Staub zermürbt uns und unser Material. Unsere Nasen sind das ständige Bluten leid und unsere Zeltreißverschlüsse wollen ihr langsames Abschleifen nicht länger hinnehmen.
Wir lassen die gebrochene Blattfeder schweißen und eine weitere als Ersatz bauen. Der Schlosser signiert sie von Hand und wünscht uns viel Glück. Der Weihnachtsmann bringt die restlichen, langersehnten Ersatzteile für unsere Räder aus Deutschland mit.
2 Antworten auf „El desierto de Atacama – Entre los extremos“
Queridos amigos del desierto Argentino!!! como contagian la capacidad de disfrute. La valentia de que estar dentro de la naturaleza, y en familia, valen tener la boca llena de tierra!!
Me alegro haberlos cruzado .
Cuando Corona finalmente ya no tenga nada que hacer los espera el ultimo pedacito, al sur del sur. Quiza uno de los lugares mas hermosos del mundo. Tengan paciencia y sostengan el sueño.
Abrazo enorme
Mariu
Ojalá que la situación se mejore pronto y que pudiéremos regresar algún día a su lindo país. Estamos list@s para llenar nuestras bocas con tierra de nuevo. 😉
Queridos amigos del desierto Argentino!!! como contagian la capacidad de disfrute. La valentia de que estar dentro de la naturaleza, y en familia, valen tener la boca llena de tierra!!
Me alegro haberlos cruzado .
Cuando Corona finalmente ya no tenga nada que hacer los espera el ultimo pedacito, al sur del sur. Quiza uno de los lugares mas hermosos del mundo. Tengan paciencia y sostengan el sueño.
Abrazo enorme
Mariu
Ojalá que la situación se mejore pronto y que pudiéremos regresar algún día a su lindo país. Estamos list@s para llenar nuestras bocas con tierra de nuevo. 😉
Fue un gusto de conocerles. Un abrazo! 🙂